Diakonie als oberster Tarifdrücker

27.08.2009

Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen wollen Bezahlung wie Kirchen-Beschäftigte.

Beim Diakonischen Werk Bayern, dem großen Sozialverband der Evangelischen Kirche, werden die Beschäftigten der verschiedenen Einrichtungen nach den seit 1. Juli geltenden neuen „Arbeitsvertragsrichtlinien“ (AVR) erheblich schlechter bezahlt als die Mitarbeiter, die bei den beiden Amtskirchen angestellt sind. Das kritisieren 21 Mitarbeitervertretungen (MAV) kirchlicher Dienste der Region und fordern in einer Erklärung, die Arbeitsbedingungen und Einkommen nicht zu verschlechtern.

Die neuen AVR seien für die Beschäftigten „das Schlechteste, was die Diakonie auf Bundesebene zu bieten hat“, sagt ver.di-Bezirkssekretär Jürgen Dietz. „Das bedeutet im Schnitt 30 bis 60 Euro pro Monat weniger für die Mitarbeiter allein bei Sonn- und Feiertagszuschlägen“, ergänzt Hans Gundel, MAV-Vorsitzender im Schweinfurter Augustinum. „Damit haben die Arbeitgeber die Anlehnung an die Vergütung im öffentlichen Dienst komplett aufgegeben“, kritisiert Kathi Petersen, Vorsitzende der Fachgruppe Kirchen bei ver.di und MAVVorsitzende im evangelischen Dekanat Schweinfurt.

In einer gemeinsamen Erklärung mit dem Titel „Soziale Arbeit ist mehr wert“ - unterzeichnet von 21 Mitarbeitervertretungen von kirchlichen Kindergärten, Sozialstationen, Förderzentren, Lebenshilfe-Einrichtungen, Dekanaten - wird eine Abkehr von Tarifabsenkung und Arbeitszeitverlängerung gefordert.
Statt über Lohndumping auf Kosten der Beschäftigten zu konkurrieren, sollten die kirchlichen Wohlfahrtsverbände sich zusammentun und gemeinsam gegen die politisch forcierte Tarifabsenkung vorgehen und sich für eine „ausreichende Finanzierung sozialer Arbeit“ starkmachen.
„Diese Erklärung geht an die Arbeitsrechtliche Kommission (ARK) Bayern, die uns das eingebrockt hat“, sagt Gundel. In dieser handeln Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter Tarife und Arbeitsbedingungen aus.

Die Kommission sei zwar paritätisch besetzt, aber die Arbeitnehmervertreter kämen allesamt aus dem Bereich der besser bezahlten Kirchen-Beschäftigten (nicht der per AVR schlechter gestellten Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen) und sie seien außerdem sämtlich noch leitende Angestellte, bis hin zur Geschäftsführerfunktion. Heftig kritisieren Dietz, Petersen und Gundel auch den vkm Bayern (Verband kirchlicher Mitarbeiter), „der sich als Gewerkschaft darstellt“ (Dietz), für seinen „hirnrissigen Aufruf“ (Gundel) an die Arbeitgeber, den Diakonie-Mitarbeitern wie denen in der verfassten Kirche freiwillig 510 Euro als Einmalzahlung zu geben und nicht nur die im Juni beschlossenen 150 Euro.
„Dieser vkm hat den 150 Euro vor wenigen Monaten zugestimmt“, sagt Gundel. Jetzt soll der Sozialverband „freiwillig“ 510 Euro zahlen? Petersen bedauert, dass ausgerechnet kirchliche Sozialverbände ihre Beschäftigten im Lohn immer weiter drücken, anstatt zusammen gegen den von der Politik aufgebauten Kostendruck anzugehen und den Wettbewerb über Qualität auszutragen statt über billigste Sätze auf Kosten der eigenen Mitarbeiter.

Gerade die Kirche habe eine besondere moralische Verantwortung gegen die Menschen, die hier nicht aufscheine. Leider sei die Diakonie einmal mehr der Vorreiter, die Caritas dürfte ihrem Beispiel bald folgen. Petersen, Dietz und Gundel verweisen auf Österreich, wo es einheitliche Tarife für die Gesundheits- und Sozialberufe gebe und Wettbewerb über Qualität ausgetragen werde, nicht über den Preis. „Wir kämpfen seit Jahren darum, mit allen Verbänden einen ,Tarifvertrag Soziales' abzuschließen“, so Dietz, „leider hat es bisher nicht geklappt.“ Die kirchlichen Verbände marschierten immer getrennt – jeder für sich.